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Projekt
Förderung: Universität Heidelberg, Hiehle-Stiftung
Laufzeit: 2009–2013
 
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Forschungsprojekt

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Landschaftsgeschichte und human impact im Umfeld der Schwetzinger Hardt seit dem Würm-Hochglazial

Die Schwetzinger Hardt und die sie umgebenden ehemaligen Auenbereiche von Kinzig-Murg-Rinne und Leimbach bilden naturräumlich sehr gegensätzliche Landschaftseinheiten. Teilweise sind grundlegende Aspekte und landschaftsgenetische Zusammenhänge noch immer nicht verstanden oder überhaupt wissenschaftlich untersucht worden.

Das Dissertationsvorhaben behandelt daher offene Fragen der Landschaftsgenese am nördlichen mittleren Oberrhein im Umfeld des zentralen großen Flugsandvorkommens der Schwetzinger Hardt seit dem Würm-Hochglazial und fokussiert drei wesentliche Themenkomplexe, die bei der bisherigen wissenschaftlichen Behandlung des in der Betrachtung stehenden Raumes keine oder zu wenig Beachtung fanden oder aber einer Revision bedürfen:

  1. Genese und Altersstellung der Flugsande und Flugsanddünen
  2. Evolution und flussgeschichtliche Zusammenhänge der nördlichen Abschnitte der Kinzig-Murg-Rinne
  3. human impact auf Relief und Boden mit besonderer Beachtung der naturräumlichen Übergangsbereiche

Die Arbeit verfolgt einen multimethodischen Ansatz; neben der Anlage von Schürfgruben und Rammkernsondierungen zur Gewinnung von boden- und sedimentbezogenen Daten kommen auch bodenchemische und schwermineralogische Untersuchungen zum Einsatz. Zweidimensionale Informationen über sedimentologische Verhältnisse im Untergrund konnten durch den umfassenden Einsatz der Geoelektrischen Tomographie akquiriert werden. Anhand des kombinierten Einsatzes der Geländemethoden können valide und präzise Informationen über den Aufbau der oberen Bereiche des oberflächennahen Untergrundes generiert werden. Die Transformation auf eine übergeordnete, sowohl räumliche wie auch inhaltlich-interpretative Ebene erfolgt durch den Einsatz von Radiokohlenstoffdatierungen und die Hinzuziehung von OSL-Datierungen sowie durch die Auswertung eines hochauflösenden Digitalen Geländemodells.

Nach einer umfassenden Darstellung des Forschungsstandes zur regionalen Landschaftsgeschichte am Oberrhein werden die Untersuchungsergebnisse stets in catenaren Zusammenhängen präsentiert und gegliedert nach den Teiluntersuchungsgebieten dargestellt. Nachfolgend werden die Ergebnisse zur Interpretation landschaftsgenetischer Zusammenhänge auf eine höher aggregierte räumlich-zeitliche Ebene transferiert und letztlich darauf basierende landschaftsgeschichtliche Szenarien entworfen. Die erzielten Ergebnisse schließen Lücken im Forschungsstand, werfen dennoch neue Fragestellungen auf und lenken den Blick auf nach wie vor nicht geklärte Probleme der Landschaftsgeschichte im süddeutschen Raum.

Folgende, wesentliche Erkenntnisse bezogen auf die drei genannten Themenkomplexe konnten gewonnen werden:

1. Es ist davon auszugehen, dass alle Flugsandvorkommen ihre ursprüngliche Anlage bereits präallerödzeitlich erfuhren, da auf allen zentralen Flugsanddünen LST- und schluffführende Hauptlagen entwickelt sind, die jungdryaszeitlich auf bereits vollständig entwickelten Flugsanddünen entstanden. Die Genese der Flugsanddünen ist somit in die Älteste und Ältere Dryas zu stellen, in denen die Flugsande zu teilweise hohen, sich aus zahlreichen Parabeldünen zusammensetzenden Dünenstaffeln aufgeweht wurden. Nicht zuletzt aufgrund der kurzen Dauer beider Stadiale ist viel eher von einer teilweise wesentlich früheren Genese der Flugsandvorkommen im ausgehenden Hochglazial (~18–16 ka) auszugehen, sofern diese auf leicht erhöhten Bereichen der Niederterrasse zur Bildung kamen, die von den verbreitet auftretenden Hochflutereignissen nicht mehr erreicht werden konnten. Eine Fortführung der Flugsandgenese und Weiterentwicklung zu Parabeldünenzügen in der Ältesten und Älteren Dryas ist kaum zu bezweifeln. Flugsandremobilisationen fanden in der Jüngeren Dryas nur in randlichen, zuvor von Teilabschnitten der Kinzig-Murg-Rinne oder von Rinnen im Neckarschwemmfächer seitenerosiv angegriffenen älteren Flugsanddünen statt, die dann nach dem zügigen klimatischen Abschwung zu trocken-kalten Bedingungen in der 2. Hälfte der Jüngeren Dryas die trocken gefallenen fluvialen Rinnen sehr schnell mit Beträgen von 15 m bis im Einzelfall von ~ 200 m überwanderten.
Zudem ist im Zusammenhang mit jungdryaszeitlicher äolischer Dynamik auf das im Rahmen dieser Arbeit erneut aufgeworfene Problem einer Deckschichtenbildung in Flugsanden bei widersprüchlichen palynologischen Befunden hinzuweisen, die auf perennierende Vegetationsbedeckung mit lichten Wäldern hinweisen. Auf Basis der mit den methodischen Ansätzen dieser Arbeit gewonnenen Befunde ist von gelisolifluidalen Prozessen unter periglaziären Umweltbedingungen auszugehen.

2. Der Nordabschnitt der Kinzig-Murg-Rinne setzt sich aus zwei isochron entwickelten Abschnitten zusammen („Leimener Arm“ und „Mingolsheimer Arm“). Entgegen der in der bestehenden Literatur vertretenen Auffassung existierten sowohl der Leimener wie auch der Mingolsheimer Arm bis zur Wende vom Atlantikum zum Subboreal fort, wobei der Leimener Arm im Holozän bereits stark verringerte Abflüsse aufwies. Aufgrund übereinstimmender Datierungen von Niedermoortorfen aus den Altläufen kann die in älteren Arbeiten postulierte Annahme einer synchronen Verlandung aller nördlichen Abschnitte der Kinzig-Murg-Rinne bestätigt werden. Dieser Vorgang dürfte mit dem Durchbruch der Murg zum Rhein im Raum Rauental bei Rastatt südlich Karlsruhe am Ende des Atlantikums in Verbindung zu bringen sein. Die zeitgleiche Existenz beider Arme lenkt den Blick auch auf die Diskussion um Gerinnebetttransformationen im Spätglazial. Räumlich eng benachbart existierten im Spätglazial synchron bereits stark mäandrierende (Mingolsheimer Arm) und mehrfadige, leicht sinuos schwingende Gerinnebettmuster (Leimener Arm) im Nordabschnitt der Kinzig-Murg-Rinne.
Die kontrovers diskutierte Frage nach einer Fortsetzung der Kinzig-Murg-Rinne nördlich des Neckarschwemmfächers unter Aufnahme des Odenwaldneckars kann nach den vorliegenden Ergebnissen verneint werden. Vielmehr sprechen die Befunde für zumindest episodische Abflüsse von mehreren fluvialen Rinnen im südlichen Neckarschwemmfächer zur Kinzig-Murg-Rinne, die während ihrer gesamten spätglazial-holozänen Existenzdauer im Bereich zwischen Ketsch und Mannheim-Rheinau in die rezente Rheinaue einmündete.

3. Die Befunde zu Art und Umfang des human impact auf Relief und Böden des Untersuchungsgebietes ergaben ein kompliziertes Bild, welches insbesondere in den naturräumlichen Grenzbereichen der Flugsanddünen und Auenbereiche von komplexen Abfolgen und Verzahnungen durch prä-, syn- und postsedimentärer Auelehmdynamik und Flugsandremobilisierung im Hoch- und Spätmittelalter geprägt ist. Erwartungsgemäß fanden sich die Zeugnisse teilweise massiver, mittelalterlicher Landschaftseingriffe mit Bildung mehrerer Meter mächtiger Kolluvien in der Schwetzinger Hardt nahe der mittelalterlichen Siedlungskerne, wobei auch hier kleinräumig immense Unterschiede dieses naheliegenden räumlichen Musters des human impacts vorliegen, die sicherlich in direktem Zusammenhang mit variierender Nutzungsgeschichte und -intensität stehen. Die zentrale Schwetzinger Hardt ist hingegen auch im Bereich steiler Leehänge von Flugsanddünen trotz historisch dokumentierter und belegter, intensiver Nutzung kaum von Bodenerosionserscheinungen oder Flugsandremobilisationen betroffen.
Der Umfang der Sedimentation lößbürtiger Auelehme aus den Einzugsgebieten von Leimbach und Kraich übertraf die aufgrund der Vorarbeiten zu erwartenden Ausmaße. Die zugrunde liegenden hoch- und spätmittelalterlichen Hochwasserabflüsse müssen teilweise katastrophale Ausmaße gehabt haben, da neben den hohen Mächtigkeiten die Auelehmpakete zudem sogar auf von der prähochmittelalterlichen Aue weiter entfernten, seit dem Hochglazial nicht mehr von fluvialen Prozessen beeinflussten Bereichen der Niederterrasse zum Absatz kamen. Überraschend sind ebenfalls Ausmaß und Intensität von Bodenabtrag und Kolluviation im Bereich der Niederterrasse. Trotz allgemein nur sehr geringer Reliefenergie sind gekappte Bodenbildungen und korrelate, teils mächtige Kolluvien in kleineren Geländedepression verbreitet anzutreffen.

Seitenbearbeiter: Webmaster-Team
Letzte Änderung: 08.07.2015
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