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Forschungsprojekt

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Geomorphologisch-geoarchäologische Untersuchungen zur Rekonstruktion des holozänen Klima- und Landschafts­wandels und dessen Einfluss auf die bronzezeitliche Kultur im Ida-Gebirge, Zentralkreta

Im Fokus des interdisziplinären Forschungsprojekts zwischen der Abteilung für Physische Geographie und dem Seminar für klassische Archäologie der Universität Heidelberg steht das Ida-Gebirge der Mittelmeerinsel Kreta, welches sich als Fundort mehrerer bronzezeitlicher Relikte aus der minoischen Neupalastzeit um 1650 v. Chr. auszeichnet. Bereits Anfang der 1980er Jahre entdeckten Archäologen hier die Siedlung Zominthos, die durch ihre ungewöhnliche Größe, Architektur und extrem periphere Höhenlage (1187 m ü. M.) auffällt. Zudem liegt der Gebäudekomplex oberhalb der modernen Siedlungsgrenze auf Kreta und gibt der Wissenschaft bislang ein Rätsel über die klimatischen und agrarökologischen Bedingungen Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. auf, denn gegenwärtig findet sich in dieser Region keine permanente Besiedlung mehr. Primäres Ziel der vorgesehenen Kooperation ist daher die Rekonstruktion der Paläoumweltbedingungen im Umfeld der minoischen Höhensiedlung Zominthos.

Abbildung: Topographische Karte Kretas mit Untersuchungsgebiet

Topographische Karte Kretas mit Untersuchungsgebiet (siehe roter Kasten; C. Siart 2006)

Abbildung: Plateau von Zominthos

Das Plateau von Zominthos mit Blickrichtung nach Westen.
Auf einer kleinen Anhöhe im linken Bildbereich liegt das minoische Landhaus (siehe Punktsignatur). In der Bildmitte erstrecken sich mehrere kettenförmig aufgereihte Karstdepressionen in der Tiefenlinie des Talverlaufs (C. Siart 2006).

Arbeitsinhalte

Die vorgesehenen Arbeiten konzentrieren sich auf die Erkundung und Erforschung von terrestrischen Geoarchiven in Form verfüllter Karstdepressionen im Ida-Gebirge, in denen ökosystemare Veränderungen der Landschaft dokumentiert sind. Die Sedimente dieser Hohlformen bilden eine wichtige Grundlage für die Analyse, Dokumentation und Rekonstruktion der Paläoumwelt mittels geophysikalischer Sedimenttomographien, refraktionsseismischer Untersuchungen oder Bohrungen - beispielhaft im direkten Umfeld von Zominthos.

Abbildung: Karstdepression bei Zominthos

Karstdepression mit Feinmaterialverfüllung (Vordergrund) bei Zominthos. Im Hintergrund erstreckt sich der Hauptkamm des Ida-Gebirges mit der höchsten Erhebung, dem Timios Stavros auf 2456 m ü. M. (C. Siart 2006).

Die erwarteten Ergebnisse haben aber weit überregionale Bedeutung, da damit erstmals Daten zur Landschaftsgenese und Umweltentwicklung auf Kreta erarbeitet werden können. Es ist hierbei noch unbekannt, inwieweit die minoischen Gesellschaften auf Kreta von holozänen Klimaschwankungen betroffen wurden. Ebenso liegen nur grobe, aus anderen Mediterrangebieten übertragene Vorstellungen davon vor, ab wann und mit welchen Techniken die Menschen in die natürliche Umwelt eingegriffen haben und welche Wechselwirkungsprozesse sich zwischen Mensch und Umwelt eingestellt haben. Die Zusammenarbeit mit der Archäologie hilft dabei, die Klimaproxies gerade für die umbruchsreiche Zeit des Subboreals von anthropogenen Effekten zu trennen, um zu einer guten Grundlage für eine Chronologie der Klimaentwicklung zu gelangen. Kreta stellt in diesem Zusammenhang das Verbindungsglied zwischen den Records aus Südeuropa, Nordostafrika und der Ägäis dar und bildet eine entscheidende Schlüsselstelle zum Verständnis der Klimaentwicklung im östlichen Mediterranraum, da hier verschiedene klimaprägende Zirkulationsmuster zusammentreffen. Die sensitive Gebirgslage des Untersuchungsgebiets lässt außerdem differenziertere Ergebnisse als in Geoarchiven nahe der Küste erwarten. Bisher wurden die Karstfüllungen auf Kreta in ihrer Funktion als Geoarchive noch nicht ausgewertet.

Das Forschungsprojekt versteht sich insgesamt als Beitrag zum tieferen Verständnis der ostmediterranen Umweltentwicklung und ihrer möglichen Auswirkungen auf die Kulturgeschichte. Ein Lückenschluss im Gesamtkontext einer klimageographischen und geoökologischen Rekonstruktion der Landschaftsgeschichte im Mittelmeergebiet während des Holozäns (und wahrscheinlich auch weit ins Pleistozän zurückreichend) ist vorgesehen. Die Dokumentation und Darstellung der Ergebnisse soll mithilfe digitaler Visualisierung und Modellierung einen dreidimensionalen Eindruck der Paläolandschaften ermöglichen.

Ziele

Ziel ist die Erarbeitung eines Datensatzes, wie er für Kreta und insbesondere für das Ida-Gebirge bisher noch nicht vorliegt, und welcher das Gesamtbild der Klima- und Umweltentwicklung im östlichen Mediterranraum schärft. Vorgesehen sind


  • Geophysikalische Erkundung / Prospektion von Geoarchiven (Karstdepressionen) im Umfeld der Höhensiedlung Zominthos
  • Auswertung und Datierung von Sedimenten und Böden in Schürfen und Bohrkernen
  • Einbindung der Ergebnisse in den Stand der Kenntnis der übergeordneten Klima- bzw. Umweltentwicklung
  • Verknüpfung der Ergebnisse mit zeitgleich stattfindenden archäologischen Ausgrabungen und Detailuntersuchungen zur Rekonstruktion der Mensch-Umwelt Interaktion im Holozän auf Kreta
  • dreidimensionale Visualisierung der Paläolandschaften, u.a. von Zominthos, zur Präsentation der Ergebnisse vor einer breiteren Öffentlichkeit (lokale Museen, Publikationen etc.) und als Grundlage für weiterführende wissenschaftliche Studien
Abbildung: Perspektivisches Blockbild des nördlichen Ida-Oros

Perspektivisches Blockbild des nördlichen Ida-Oros mit Blickrichtung nach Südwesten. Unter Verwendung von GIS-Software erfolgte die Drapierung eines Satellitenbildes über einen SRTM-Höhendatensatz. (C.Siart 2006).

Seitenbearbeiter: Webmaster-Team
Letzte Änderung: 03.05.2019
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