Forschungsprojekt
Umbruch und Transformation im östlichen Mediterranraum:
Holozäner Landschaftswandel und dessen Einfluss auf Kulturentwicklung und Siedlungsgeschichte in Ostkreta
Ziel des Forschungsprojektes ist die Untersuchung und Rekonstruktion des landschaftlichen und kulturellen Wandels im Osten der griechischen Insel Kreta. Im Laufe der vergangenen Jahrtausende entwickelte sich die Insel trotz ihrer räumlichen Isolation zu einem Zentrum der Kulturentwicklung, wie unter anderem die dort bereits zu frühem Zeitpunkt aufkeimenden Errungenschaften der neolithischen Revolution sowie die Blüte der Minoischen oder Hellenistischen Hochkultur eindrücklich beweisen. Eingeklammert als geographisches Bindeglied zwischen ägäischem Festland, Levante und Nordafrika, eignet sich Kreta deshalb hervorragend zur Untersuchung des Landschaftswandels mitsamt seinen entscheidenden Steuergrößen und den damit eng verknüpften von Mensch-Umwelt-Interaktionen. Der intensive Transformationsprozess hin zu einer der ältesten Kulturlandschaften Europas wurde auch von starken natürlichen Veränderungen wie klimatischen Umbrüchen, Vulkaneruptionen (z.B. Santorin 1620 v. Chr.) oder Erdbeben begleitet, die es in vorliegendem Projekt zu untersuchen gilt. Um die entscheidende Verbindung zwischen Siedlungsgeschichte und naturräumlichen Aspekten zu erforschen, bedarf es eines fächerübergreifenden Forschungsansatzes unter gleichzeitiger Beteiligung von Natur- und Geisteswissenschaften. Diesem Umstand trägt eine intensive Zusammenarbeit zwischen Geographischem Institut der Universität Heidelberg, dem Institut für Klassische Archäologie der Universität Heidelberg und dem CEREGE-CNRS in Aix-en-Provence Rechnung.
Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht ein Multi-Proxy-Ansatz, der mehrere verschiedene Verfahren (Geophysik, Laserscanning, Fernerkundung, Geomorphologische Kartierung) und Geoarchive nutzt, so beispielsweise sedimentverfüllte Karsthohlformen. Diese geben Aufschluss über die ehemaligen landschaftlichen Zustände und ermöglichen die Rekonstruktion eines Paläoumweltszenarios. Von entscheidender Bedeutung sind Geoarchive jedoch außerdem, weil sie eine gleichzeitige Prospektion und Erforschung archäologischer Befunde gestatten. So ermöglichen Keramik, Knochenfunde oder anthropogene Relikte mitsamt verschütteten Mauer- oder Gebäuderesten die Herstellung eines unmittelbaren Bezuges zur geomorphologischen Dynamik des Untersuchungsraums (Phasen der Landnutzung, Abholzung und Bodenerosion, Wüstungsphasen, etc.).
Das Untersuchungsgebiet, die Region Kritsa-Katharo-Lassithi im Dikti-Gebirge im Osten Kretas gelegen, bildet einen herausragenden Standort sowohl für geographische als auch archäologische Studien, was sich insbesondere durch dessen Funktion als räumliche Verbindungseinheit mit ausladenden landwirtschaftlichen Nutzflächen, einem hervorragenden Zugang zu Häfen an der Küste sowie dem gleichzeitigen Zugang zu siedlungstechnischen Rückzugsmöglichkeiten in höheren Gebirgslagen begründet sieht. Die bisherigen Arbeiten konzentrierten sich auf mehrere große Dolinenkomplexe, die morphometrisch, geophysikalisch, sedimentologisch und mineralogisch untersucht wurden. Weitere quartäre Sedimentarchive an der östlichen Abdachung des Dikti-Gebirges sollen nun im Rahmen zukünftiger Studien beprobt werden.