Forschungsprojekt

Mensch und Landschaft im Holozän an einer geoökologi­schen Schlüsselstelle – Geomorphologisch-bodengeographi­sche Untersuchungen im Raum Vráble, Slowakei

Zielsetzung des Projektes war die zeitlich und räumlich hochauflösende Erfassung der Entwicklung von Landschaft und Geoökosystem in der Umgebung der frühbronzezeitlichen Siedlung Fidvár bei Vráble (Südwestslowakei). An einer geographischen Schlüsselposition im Übergang vom Pannonischen Becken zum slowakischen Mittel- und Erzgebirge hatte sich die Siedlung zu einem bedeutenden kulturellen und ökonomischen Zentrum entwickelt. Das Auftreten von zumindest drei frühbronzezeitlichen Kulturen (Hatvan, Aunjetitz und Mad’arovce) wurde für den Zeitraum 2250 bis 1600 v. Chr. nachgewiesen und ist heute in Form eines mehrschichtigen Siedlungshügels mit drei halbkreisförmigen Grabenanlagen dokumentiert. Von besonderem Interesse ist es, die Zusammenhänge zwischen menschlicher und ökologischer Entwicklung durch die Bearbeitung der zahlreichen vorhandenen Geoarchive zu verstehen (Lösssequenzen, Auenlehme, Gerinneverfüllungen, archäologische Grabenanlagen).

Abb. 1: Schrägluftbild des Siedlungsareals von Fidvár bei Vráble. Auf der lössbedeckten Terrasse oberhalb der rezenten Flussaue der Žitava (Vordergrund) liegen die Zeugnisse einer frühbronzezeitlichen Siedlung. Mehrere Grabenanlagen durchziehen halbkreisförmig den Siedlungshügel. Über einen sechs Meter hohen, steilen Prallhang fällt das Gelände zur Aue ab. (Kuzma 2005)

Bisherige Ergebnisse (Auswahl)

Seit Projektbeginn im Januar 2011 konnten wesentliche Erkenntnisse zur Rekonstruktion der natürlichen und anthropogenen Landschaftsveränderungen gewonnen werden. So entstand der Siedlungshügel durch typische periglaziale geomorphologische Prozesse (z.B. Terrassen- und Lössakkumulation), welche die gesamte Region des Donautieflandes geprägt haben und heute in Form der lokalen Sedimentstratigraphie nachvollziehbar sind. Ferner konnte belegt werden, dass das Erscheinungsbild des Siedlungshügels stark von seitlicher Fluvialerosion des Flusses Žitava verändert wurde, wodurch auch ein beträchtlicher Teil des ursprünglichen Siedlungsareals heute nicht mehr vorhanden ist. Ein denkbarer Zusammenhang zwischen Siedlungsaufgabe und eventuellen katastrophalen Hochflutereignissen soll durch weitere Untersuchungen überprüft werden. Auf Basis des verwendeten Spektrums innovativer geophysikalischer, sedimentologischer und geochemischer Analysen wurden mehrere in dieser Form bislang noch nicht praktizierte geoarchäologische Methodenkombinationen entwickelt. Dadurch konnten die Geometrien der drei frühbronzezeitlichen Grabenanlagen von Fidvár rekonstruiert und ihre Eignung als on-site Archive für geoarchäologische und geowissenschaftliche Untersuchungen belegt werden. In Zusammenarbeit mit den beteiligten Projektgruppen werden sich die folgenden Arbeiten vor allem auf off-site Untersuchungen konzentrieren. Dabei steht vor allem die Rekonstruktion der fluvialen Prozessdynamik der Žitava und die Suche und Beprobung kontinuierlicher Geoarchive zur Klimarekonstruktion im Vordergrund.



Transekt des Siedlungshügels

Abb. 2: 3D-Übersicht zum Transekt des Siedlungshügels – Test der Kombination von topographischen, geomagnetischen und geoelektrischen Daten (topographische und geomagnetische Messungen durch RGK Frankfurt). Flächige geomagnetische Daten erlauben die horizontale Rekonstruktion der Gräben B und C (II). Eine 400 m lange geoelektrische Tomographie liefert wesentliche Einblicke in die vertikale Struktur des Siedlungshügels: Hohe elektrische Widerstände im Bereich des Siedlungsareals (III) werden durch heterogene Siedlungsschichten (Gemisch aus Löss, Asche, Scherben, Knochen u.a.) verursacht. Ebenfalls hohe Werte im Hang sind Folge kolluvialer Umlagerung (I). Unterhalb der Siedlungsschichten lösen mehrere Meter mächtige Lössablagerungen wesentlich geringere Widerstände und darunter liegende Terrassenablagerungen erneut höhere Widerstände aus. Sehr geringe Widerstandswerte im unteren Hangbereich belegen die fluviale Erosion des Siedlungshügels durch ein früheres Gerinne. Die Kombination aus beiden geophysikalischen Verfahren erlaubt erstmals eine ganzheitliche dreidimensionale Betrachtung des Siedlungshügels.

Geoelektrische Aufnahme des Übergangs zwischen Siedlungshügel und Flussaue

Abb. 3: Geoelektrische Aufnahme des Übergangs zwischen Siedlungshügel und Flussaue. Dargestellt sind sechs geoelektrische Tomographien (2-fach überhöht) mit topographischer 3D-Übersicht sowie eine Photographie der Grabung auf Schnitt h5. Der wahrscheinliche spätmittelalterliche Gerinneverlauf orientiert sich an den hangnahen geringen Widerstandswerten, die miteinander verbunden und ebenfalls in die Übersicht integriert wurden. Die dargestellte Grabung mit überlagertem Siedlungssediment legt nahe, dass der Erosionsprozess des Hanges teilweise in Form von Rutschungen stattfindet.

Geoelektrische Tomographie im Bereich von Graben B

Abb. 4: Geoelektrische Tomographie im Bereich von Graben B (Schlumberger-Anordnung, Elektrodenabstand 1 m). Graben B ist als Unterbrechung der durchgehenden Siedlungs- und darunterliegenden Sandschichten deutlich zu erkennen. Mit Hilfe der fünf Rammkernsondierungen B1-B5 und der Messung ihrer magnetischen Suszeptibilität (schwarze Graphen), die in anthropogen beeinflussten Sedimenten deutlich erhöht ist, konnte die vertikale Grabengeometrie detailliert rekonstruiert werden.

Zusammenarbeit im Forschungsverbund

Die Erforschung der sozialen, ökologisch-ökonomischen, kulturellen und politischen Dimensionen des bronzezeitlichen Phänomens erfordert die Berücksichtigung der Wechselbeziehungen von Mensch und Umwelt. Das Wissen um die Bedeutung dieser Zusammenhänge und Interaktionen bildete den Ausgangspunkt für die gemeinsame Entwicklung eines interdisziplinären Forschungskonzeptes. Die bisherigen Arbeiten erfolgten in enger Kooperation mit dem Bereich Siedlungsarchäologie, eine Zusammenarbeit, die – unter Einbindung von Montanarchäologie und Vegetationsgeschichte – im Rahmen eines von der DFG finanzierten Bündelprojektes ausgebaut werden soll. Auf diese Weise sollen Kompetenzen auf den Gebieten Archäologie, Geoökologie, Geoarchäologie und Archäometrie in vorbildlicher Weise zusammengeführt und die Potentiale der Zusammenarbeit genutzt werden.


Projektpartner im Forschungsverbund Fidvár bei Vráble – eine Siedlung an der Schnittstelle der alteuropäischen Metallurgieprovinzen. Interkulturelle Dynamik und Umweltveränderungen an einer landschaftsökologischen Schlüsselregion im östlichen Zentraleuropa:

Projekt 1 - Siedlungsarchäologie
Römisch-Germanische Kommission (RGK)

des Deutschen Archäologischen Instituts

Frankfurt am Main

Archäologisches Institut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften

Nitra/Slowakei

Naturwissenschaftliches Referat an der

Zentrale des Deutschen Archäologischen Instituts

Berlin

Johannes Gutenberg-Universität, Institut für Anthropologie

Arbeitsgruppe Palaeogenetik SB II

Mainz


Projekt 2 - Montanarchäologie
Ruhr-Universität Bochum, Institut für Archäologische Wissenschaften

Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte

Bochum

Deutsches Bergbau-Museum Bochum

Forschungsstelle Archäologie und Materialwissenschaften

Forschungsbereich Archäometallurgie

Bochum

Projekt 3 - Archäobotanik
Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung

Wilhelmshaven

Projekt 4 - Geographie Geographisches Institut der Universität Heidelberg

Abteilung Labor für Geomorphologie und Geoökologie

Projektbezogene Veröffentlichungen

Gauss RK, Bátora J, Nowaczinski E, Rassmann K, Schukraft G. 2013. The Early Bronze Age settlement of Fidvár, Vráble (Slovakia): reconstructing prehistoric settlement patterns using portable XRF. Journal of Archaeological Science 40: 2942–2960.

Nowaczinski E, Schukraft G, Hecht S, Rassmann K, Bubenzer O, Eitel B. 2012. A Multimethodological Approach for the Investigation of Archaeological Ditches – Exemplified by the Early Bronze Age Settlement of Fidvár Near Vráble (Slovakia). Archaeological Prospection 19: 281–295.

Nowaczinski E, Schukraft G, Rassmann K, Texier F, Eitel B, Bubenzer O. 2013. Geophysical-geochemical reconstruction of an ancient population size – the Early Bronze Age settlement of Fidvár (Slovakia). Archaeological Prospection (submitted).

Seitenbearbeiter: Webmaster-Team
Letzte Änderung: 03.03.2022
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