Universitätssiegel
Leitung: Prof. Dr. Peter Meusburger
Bearbeiter: Nicole Baur
Laufzeit: 01.04.2003-30.09.2005
Finanzierung: Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg
 

Forschungsprojekt

Die Diphtherie in medizinisch-geographischer Perspektive

In diesem Promotionsvorhaben werden Ausbreitungsprozesse und Verbreitungsmuster der Diphtherie in Raum und Zeit erfaßt. Während die Krankheit Ende der 1970er Jahre schon fast besiegt schien, bekräftigt das Aufflammen einer Epidemie ab 1990 in den GUS-Staaten die aktuelle Brisanz dieses Themas. Ausgehend von der Annahme, dass nicht nur medizinischer und technischer Fortschritt den Rückgang der Infektionskrankheiten bedingt, wird in historischer Dimension und auf unterschiedlichen Maßstabsebenen der Einfluß geographischer, sozio-kultureller und ökonomischer Determinanten auf das Erkrankungsspektrum einer Bevölkerung untersucht. Das Thema fügt sich damit ein in die Traditionslinie medizinisch-geographischer Forschungen, deren wegweisende Arbeiten u.a. in Heidelberg entstanden und die gegenwärtig durch die Arbeit des Arbeitskreises für Medizinische Geographie fortgesetzt wird.

In einem ersten Schritt wird anhand vorliegender Untersuchungen das Auftreten der Diphtherie vom Altertum bis zur bakteriologischen Phase Ende des 19. Jahrhunderts rekonstruiert, in der die Entdeckung des Diphtherie-Erregers und die nachfolgende Identifikation des krankheitsverursachenden Toxins die Therapiemaßnahmen revolutionierte. Den Schwerpunkt der Arbeit bilden daher unveröffentlichte und bisher niemals ausgewertete Patientenakten der Luisenheilanstalt Heidelberg im Zeitraum 1901 – 1910. Die damals aufgenommenen detaillierten Angaben erlauben, die Diphtherie-Patienten nicht nur räumlich sondern auch hinsichtlich ihres sozio-demographischen und sozio-ökonomischen Hintergrundes zu verorten. Begleitende Auswertungen historischer publizierter Todesursachenstatistiken ordnen den Raum Heidelberg in einen überregionalen und internationalen Kontext ein.

Ergänzend vermittelt die Auswertung anonymisierter publizierter Fallbeschreibungen auf internationaler Maßstabsebene einen Eindruck vom „modernen“ Diphtherie-Patienten. In Erscheinung tretende Disparitäten hinsichtlich sozio-demographischer Merkmale der Diphtherie-Patienten, der sie umgebenden räumlichen und sozialen Strukturen sowie der Ausbreitung der Erkrankung werden auf ihre Ursachen untersucht. Besonderes Augenmerk wird dabei der flächendeckenden Schutzimpfung zuteil, die sowohl für den kontinuierlichen Rückgang der Diphtherie-Erkrankungen in den Industrienationen seit dem Zweiten Weltkrieg, wie auch als Mitursache für die Epidemie in den GUS-Staaten verantwortlich gemacht wird. Das Promotionsvorhaben hinterfragt diese konträren Thesen kritisch anhand von Auswertungen zur gegenwärtigen Impfsituation auf nationalem und internationalem Maßstab und unterbreitet Vorschläge zu ihrer Optimierung.

Seitenbearbeiter: Webmaster-Team
Letzte Änderung: 10.08.2019
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